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Programmatic Ads erklärt – Chancen und Grenzen von Big Data

Die Mechaniken von Real-Time-Bidding und wann der Einsatz von 3rd Party Data wirklich lohnt.

1. Was bedeutet Programmatic Advertising?

Vor der Ära des Programmatic Advertising bot die Buchung digitaler Werbeflächen vergleichsweise wenig Kriterien zur Spezifizierung an. Werbetreibende (Advertiser) konnten in klassischen Kampagnen-Flights den Publisher (z.B. digitales Magazin) und das thematische Umfeld sowie den zeitlichen Faktor der Werbeausspielung bestimmen (ähnlich der TV-Werbung).

Programmatic Advertising ersetzt den weitgehend manuellen Einkauf durch vollautomatischen Handel mit digitalen Werbeflächen in Echtzeit. Hierbei können unterschiedlichste Kriterien ausgewählt werden, die bestimmen, an wen welche Werbung wann und wo ausgespielt wird. So können beispielsweise Userinteressen, Standort, Wetter oder vergangene Kaufentscheidungen als Kriterium festgelegt werden. Die Software steuert das Real-Time-Bidding (marktplatzähnliche Versteigerung von passenden Werbeplätzen) so aus, dass passende Werbeplätze möglichst günstig eingekauft werden.

2. Mechanismen des Programmatic Advertisings

Meine Schautafel verdeutlicht den Mechanismus des programmatischen Ad-Buying-Prozesses:

Einmal gibt es einen Advertiser, der Werbung schalten möchte, die an eine ganz bestimmte Zielgruppe ausgespielt werden soll. Welche Kriterien dabei beachtet werden sollen, wird an eine DSP (Demand Side Plattform) weitergegeben.
Auf der anderen Seite gibt es Publisher, die ihre Werbeplätze zur Verfügung stellen. Diese teilen Anzahl, thematisches Umfeld ihrer Anzeigenplätze und Userdaten an eine SSP (Supply Side Plattform) mit. DSP und SSP managen draufhin die Anfragen, die Gebote der einzelnen Wettbewerber und die Aussteuerung der passenden Werbeplätze.

Hier eine genauere Erklärung zu den wichtigsten Begrifflichkeiten:

Advertiser
Werbetreibende, die Werbekampagnen an spezifische Zielgruppen ausspielen möchten und entsprechende Gebote abgeben. Sie konkurrieren mit anderen Advertisern um Anzeigenplätze.

DSP – Demand Side Platform
DSPs bieten eine Schnittstelle zu den Marktplätzen (Ad Exchanges) und bündeln die Anfragen der verschiedenen Ad Netzwerke, Agenturen und Werbetreibenden.

SSP – Supply Side Platform
SSPs sind das Gegenstück zu DSPs. Eine SSP bündelt die Ad Netzwerke der Publisher, die Vermarkter und die Publisher selbst.

DMP – Data Management Platform
Die DMP unterstützt durch zusätzliche Nutzerdaten, die in die DSP einlaufen. So können Kampagnen noch spezifischer ausgesteuert werden. Teilweise analysieren Agenturen die Nutzerdaten zuvor und bündeln sie entsprechend der Kampagnenziele.

Publisher
Hierbei handelt es sich um digitale Content-Pattformen, die Werbeflächen zur Verfügung stellen. Beispiel: Spiegel.de, moviepilot.de, wetter.de etc.

3. Programmatic Ads: Zielgruppen gezielt ansprechen

Durch Programmatic Advertising können unterschiedlichste Informationen über User intelligent gematcht werden. Somit kann eine sehr spitze Zielgruppe angesprochen werden. Agenturen (wie etwa Tradelab oder OMD) haben sich darauf spezialisiert, DMP-Daten zu analysieren, Ableitungen über Zielgruppen zu erstellen und entsprechende Targeting-Empfehlungen auszusprechen. Doch um welche Daten handelt es sich dabei eigentlich?

1st Party Data: Die eigenen User identifizieren

Um die Zielgruppe möglichst genau definieren zu können, gibt es die Möglichkeit, unterschiedlichste Informationen über relevante User einzusammeln. Advertiser können hierzu sogenannte 1st Party Data auf der eigenen Plattform erheben. Dazu willigt der User ein, dass über Cookies Auskünfte über sein Verhalten auf der Website und persönliche Daten wie Alter und Geschlecht erhoben werden. So weiß der Advertiser, welche Themen die User auf der unternehmenseigenen Website interessieren und welche Produkte sie im Shop erworben haben.
Das Tracken von 1st Party Data bietet neben dem besseren Verständnis der Zielgruppe weitere Vorteile:

Retargeting

Der User kann erneut via Bannerwerbung angesteuert werden (Retargeting). Hat er bereits Interesse an einem Produkt bekundet, indem er sich darüber informiert hat (Consideration Phase), kann die Kaufentscheidung mitunter durch häufigen Kontakt mit dem Produkt positiv beeinflusst werden. Der User wird daher auch auf anderen digitalen Plattformen mit Produktwerbung bespielt (oder verfolgt).

Similar Audiences

Durch eine Analyse der Zielgruppe, die das Angebot des Advertisers in Anspruch nimmt (z.B. welche User haben Website besucht, welche haben den Kauf abgeschlossen) können User mit ähnlichem Nutzerprofil gezielt per Advertising angesprochen werden. Man nennt dies die Erzeugung von statistischen Zwillingen.

3rd Party Data: Neue User erreichen

Daneben gibt es die Möglichkeit, 2nd oder 3rd Party Data einzukaufen, die nicht von der eigenen Plattform des Advertisers stammen. 2nd Party Data bezeichnet man den Kauf von statistischen oder personenbezogenen Daten einer Website oder eines Shops von einem anderen Unternehmen. 3rd Party Data sind hingegen große Datenmengen, die von unterschiedlichsten Quellen stammen und in Paketen eingekauft werden. Das Ein- und Verkaufen dieser Daten ist allerdings nicht nur sehr teuer, sondern bzgl. Datenschutz eine rechtliche Dunkelgrauzone, die in Zukunft durch gesetzliche Regelungen immer weiter eingeschränkt wird.
Der Ankauf von 3rd Party Data bietet Vorteile wie auch Nachteile:

Zielgruppe erweitern

Der größte Vorteil liegt darin, dass diejenigen User gezielt angesteuert werden können, die noch in keinster Weise mit dem Angebot des Advertisers interagriert haben. Durch eingekaufte personenbezogenen Daten bekommen Advertiser Auskunft über Hotelbuchungen, Produkteinkäufe, Standorte und thematische Vorlieben und können somit Rückschlüsse zu Krankheiten, einer Schwangerschaft oder spezifischem Kaufinteresse ableiten.
(Beispiel: User, die im Sommer in den Alpen ein Sporthotel gebucht haben und gleichzeitig Interesse an Fahrrädern aufweisen, sind die potentielle Zielgruppe eines Advertisers für Mountainbikes).

Teuer bei mäßiger Aktualität und Transparenz

Trotz des hohen Kostenfaktors sind personenbezogene 3rd Party Data teilweise nicht aktuell oder von mäßiger Qualität. Veraltete Informationen sind jedoch nur bedingt (je nach Angebot des Advertisers) hilfreich bei der personenbezogenen Bannerausspielung. Wer zu spät kommt, hat teure Werbeausgaben mit geringem Return of Investment (ROI). Außerdem ist die Herkunft der eingekauften Daten teilweise zweifelhaft, was sich nicht nur in der Nutzung, sondern auch in datenschutzrechtlichen Risiken niederschlägt.

4. Programmatic Advertising: The Big Data Party

Gerade die großen Player wie Google, Amazon und Facebook bieten eine große, verlässliche relativ günstige Datenvielfalt an. Aufgrund der Registrierung der User mit Log-in Funktion verfügen diese Netzwerke über Vorteile beim Tracking innerhalb eigener Publisher-Netzwerke. Amazon ist sicher einer der wichtigsten Kenner, was reales Kaufverhalten betrifft. Auch Google kennt das Verhalten der User sehr genau: Durch Suchanfragen geben User eindeutige Signale, für welche Themenbereiche, Markenwelten oder Produktkäufe sie sich interessieren. Durch die Anbindung von Google Analytics werden weitere Daten zum Userverhalten gesammelt.

Es gibt also jede Menge Daten, die in eine Kampagne einfließen können. Doch ist mehr zwangsläufig besser? Jein, denn es kommt hierbei (wie fast immer im Marketing) ganz auf die Ziele an!

Wann bedarf es Programmatic Ads?

Möchte man als Advertiser eine sehr spitze Zielgruppe ansprechen, ist ein genaues Targeting mittels großer Bandbreite an Kriterien durchaus sinnvoll, um User mit höchstem Käuferpotential zu lokalisieren. So können Streuverluste minimiert werden und die Kampagne kann gezielt auf Neukundengewinnung oder spezifische Aktionen (z.B. Leadgenerierung via Newsletteranmeldung, Interaktionen, Downloads von Whitepapern etc.) einzahlen. Als Faustregeln gelten: Je spezifischer die Daten, desto kleiner die Reichweite. Und je gehaltvoller die Daten, desto kostenintensiver die Kampagne.

Achtung: Programmatic Advertising ist ein durchaus bewährtes Mittel in der Consideration Phase des Users, um eine Marke oder ein Produkt sichtbar zu positionieren. Es dient aber nicht unbedingt zur Steigerung von Shop-Conversions. In der Decision-Phase eines potentiellen Käufers eignet sich SEA besser. Das Suchmaschinen Advertising reagiert direkt auf die bewusste Interessensbekundung des Users und bietet eine konkrete Lösung im Kauf-Entscheidungsprozess an.

Wann kann man auf Big Data-Geschütze verzichten?

Ist die Kampagne auf hohe Reichweite und Sichtbarkeit (beispielsweise eine Imagekampagne) und auf möglichst breite Streuung ausgelegt, ist der Einsatz eines spitzen Targetings hinderlich. Die Auswahl vieler Kriterien in der Ausspielung verschlankt einerseits den Personenkreis, der mit der Werbung in Kontakt kommt, und treibt andererseits unnötig die Kosten in die Höhe.


Fazit: Programmatic Ads sind im Performance Marketing kaum mehr wegzudenken. Wie spezifisch das Targeting ausgesteuert werden sollte, obliegt jedoch letztendlich den Zielen der Kampagne. Je breiter die Kampagne ausgerichtet ist, desto weniger spitz sollte das Targeting ausfallen – hier reichen die Standardkriterien der DSP nach spezifischen Interessensfeldern, Geografie, Geschlecht und Alter zumeist aus. Wer jedoch spitzere personenbezogene Kriterien benötigt und die eigene Zielgrupper erweitern möchte – oder Personen erreichen möchte, deren Daten bei Google nicht registriert sind –, für den können sich eingekaufte 3rd Party Data durchaus lohnen.


Viel Spaß bei der nächsten Data Party!
Eure Tinka